Über meditatives Essen und Trinken

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich während eines Schweige-Retreats die Pause am Nachmittag genossen habe. Nach dem stundenlangen Meditieren ab 5:00 Uhr morgens und der Stunde praktischer Arbeit im Haus, die täglich zu absolvieren war, saß ich nun in der Bibliothek mit meinem Becher Tee in der Hand, umgeben von den vielen alten Büchern, in der Nähe des Altars mit der Buddha-Figur, mit dem wundervollen Ausblick auf den Garten und den Hang hinunter auf den tiefer gelegenen See. Wasser, Bäume, Blumen, Vögel…Natur pur.

Wohl für alle hatte das Essen und Trinken in dieser Woche schon deshalb eine besondere Bedeutung, weil es eine willkommene Abwechslung in dem ansonsten äußerlich kargen Ablauf war. Marketing-Leute, die aus allem und jedem Profit erzeugen wollen, reiten schon lange auf der Welle, das ganze Leben nach Möglichkeit zu einem einzigen “ Erlebnis” zu stilisieren, das es natürlich nicht umsonst geben kann. Diese Stunde am Nachmittag mit einem Becher eines duftenden heißen Tees in der Hand und einem Stück trockenen Knäckebrot wurde aber immer wieder tatsächlich für mich zu einer kleinen, aber doch intensiven Sinnesfreude, einem “ Erlebnis”.

Ich nahm das köstliche Aroma vom Tee voll in mich auf, tauchte darin ein. Das kleine Stückchen trockenes Knäckebrot zerkaute ich mit großer Aufmerksamkeit und so lange, bis es durch die Einspeichelung im Mund eine gewisse Süße entwickelte. Hmm, wie gut das schmeckte! Durch die den ganzen Tag über geübte Aufmerksamkeit, die sich jetzt wie ein intensives Scheinwerferlicht mit voller Intensität ausschließlich auf das Essen und Trinken richtete, waren die Tore der Sinne geöffnet und damit auch die Sinnlichkeit. Dies war gleichzeitig Ausdruck meiner Wertschätzung, der Verbundenheit mit meinem Körper und der Erde. Und der Dankbarkeit dafür, dass mein Körper genährt wird und alles bekommt, was er zu seiner Gesunderhaltung braucht, wie ein stilles Gebet mit dem Dank für das Wunder dieses Lebens. Aus Erde, Wasser und Licht wachsen wunderbare Wesen, Pflanzen, die für alle Lebewesen die Lebensgrundlage bilden, auch für meins!

Erst vor einiger Zeit wurde ich wieder daran erinnert, wie gesund und heilsam diese meditative Art zu essen und zu trinken ist. Lange Zeit hatte ich, wie vermutlich die meisten Menschen, das Essen und Trinken in denen oft übervollen Tagesplan eingebaut verbunden mit Multitasking, um Zeit zu sparen und mehr zu schaffen. Deshalb hatte ich mir angewöhnt, während des Essens Mails auf dem Smartphone zu checken, Nachrichten zu hören und vielleicht noch irgendetwas zu lesen. Die Intensität des sinnlichen Genießens war dementsprechend reduziert und das Kauen, mit dem eine wirklich gute Verdauung eigentlich beginnt (gut gekaut ist halb verdaut), kam zu kurz.

Wirklicher intensiver Genuss braucht ein Zusammenspiel zwischen den passenden äußeren Bedingungen, wie eben zum Beispiel guter Nahrung, und der inneren Öffnung mit völliger Hingabe und Öffnung der Sinne, ein „mono-tasking“, ohne jeden Zeitdruck. Schönheit entsteht bekanntlich im Auge des Betrachters und das Genusserlebnis passiert in unserer höchst persönlichen Innenwelt- oder eben auch nicht. Die einfachste Nahrung kann mit der richtigen Einstellung und im Erleben in der Präsenz ein himmlischer Genuss werden, während die teuersten Gourmet-Menus ohne Achtsamkeit allenfalls wie eine blasse, entfernte Erinnerung an uns vorbeiziehen.

Immer wieder neu ist es meine Entscheidung und vielleicht auch immer neue Übung, den gegenwärtigen Moment voll und ganz wahrzunehmen; das was ist, anzunehmen, was immer es ist, innen wie außen, oder weiter zu (tag-)träumen und das richtige Leben und Er-Leben zu verpassen.